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Lektüreeindrücke, Bemerkungen zur Novelle und weitere Inhalte
Ich fand das Ende der Geschichte sehr überraschend. Mir war bewusst, dass Novellen mit einer Katastrophe enden, aber trotzdem hätte ich nicht mit den zwei Morden gerechnet. Andererseits gab es auch schon vorher einige Hinweise auf die Katastrophe, wie zum Beispiel der Rehbock, der am Anfang vom Zug überfahren wurde oder der unterdrückte Charakter von Thiel. Eigentlich ist es klar, dass man mit so einem Schicksal irgendwann durchdreht. Ich fand deshalb das Ende sehr gut, da man sich nach dem Lesen automatisch mit moralischen Fragen auseinandersetzt, wie zum Beispiel ob Thiel überhaupt eine Schuld trifft, oder ob die Schuld nur bei seinem Schicksal liegt.
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Ich würde das Werk definitiv weiterempfehlen, da es einen guten Eindruck auf die Zeit des Naturalismus gibt. Der technische Fortschritt wird im Werk thematisiert. Ausserdem setzt sich das Werk mit psychologischen Fragen auseinander und beschäftigt sich mit dem Einfluss des Schicksals auf das Handeln des Menschen. Das Werk ist sehr kurz und man hat es schnell gelesen, nicht zuletzt weil es sehr packend ist. Zusammenfassend, können wir die Novelle “Bahnwärter Thiel” sehr weiter empfehlen. Im Voraus hätten wir ehrlich gesagt nicht gedacht, dass uns eine Novelle, die wir in der Schule lesen müssen, so packen und berühren kann. Die Geschichte ist sehr schnell und einfach zu lesen. Ausserdem hat die Novelle uns einen realitätsnahen Eindruck hinterlassen, unter welchen Umständen die Arbeiter in der Zeit der Industrialisierung gelebt haben. Die Geschichte ist sehr traurig und das Leben von Thiel ist seit beginn der Geschichte eigentlich fast nur negativ dargestellt, worauf der Erzähler auch immer wieder aufmerksam macht. Uns ist sicherlich bewusst dass das zum einen den Kriterien für den Naturalismus entspricht und andererseits haben wir uns auch gefragt, was die Gefühle vom Autor Gerhart Hauptmann beim Schreiben einer so “negativen” Novelle waren und welche Ereignisse die in seinem Leben zu “Bahnwärter Thiel” beigetragen haben.
Die Sprache der Gerhart Hauptmann bei der Novelle benutzt, habe ich persönlich als angenehm empfunden. Die Geschichte konnte ohne grosser Bemühungen gelesen werden. Was mir aufgefallen ist, Hauptmann benutzt in einigen Testpassagen eine spezielle Formulierung, was wahrscheinlich auf die allgemeine Schreibart (noch leicht poetisch) in der Zeit im 19. Jahrhundert zurückzuführen ist. Zum Beispiel schreibt er: Er liess sich nicht selten herab…. Oder: Nicht wie sonst mehr wahr ihm sein einsamer Posten sein liebster Aufenthalt.
Das Lesen hat sonst aber viel mehr Freude bereitet als andere Bücher, die wir schon im Deutschunterricht gelesen haben, bei denen man gewisse Abschnitte viele Male durchlesen musste, damit man schliesslich den Sinn verstanden hat. Zugegeben, die Novelle hat mich in gewissen Passagen schon sehr bedrückt. Der kleine Tobias, der von Lene angeschrien und geschlagen wird und sein Vater, der zwar alles machen würde, damit es seinem «Tobiäschen» gut geht, aber dann im schlimmsten Moment gelähmt ist, eingreifen. Es hat mich als Leser auch etwas traurig gemacht, in welchen Verhältnissen die Familie lebt und weil viel Thiel arbeiten muss, um die Familie zu unterhalten. Der unerwartete Tod von Tobias hat das Ganze dann noch einmal übertroffen. Einerseits hat mich der Tod und die darauffolgende Reaktion von Thiel sehr mitgenommen und fast zum Weinen gebracht. Und weiter noch die so detaillierte Beschreibung des angefahrenen Körpers hat mich sehr geschaudert.
Anderseits gibt es andere schöne Momente, als zum Beispiel Thiel und Tobias gemeinsam durch den Wald spazieren, die mich auf eine schöne Art sehr berührt haben. Als Leser fragte ich mich, was Thiel hätte anders machen können, damit die Geschichte in keiner so grossen Katastrophe enden würde? Es ist offensichtlich, dass Thiel Minna nach dem Tod nie loslassen konnte. Er hat somit Lene nie eine Chance gegeben. Thiel hat in Lene nur einen Zweck dafür gesehen, dass sie auf Tobias aufpasste und ihn versorgte. Man kann davon ausgehen, dass sich Lene dies bewusst war und aus Eifersucht zu Minna und der nie erhaltenen Liebe von Thiel eine Art Hass gegen Tobias entwickelt hat. Wenn also Thiel von Anfang an mehr Gefühle für Lene gezeigt hätte, könnte man davon ausgehen, dass die Familie glücklicher gewesen wäre und Lene auch ein besseres Verhältnis zu Tobias gehabt hätte.
Auch kann man darüber diskutieren, ob Thiel schon bei der Heirat von Lene eine falsche Entscheidung getroffen hat. Thiel muss sicher eine Vorahnung gehabt haben, dass Lene für einen aufbrausenden Charakter hat. Auch äusserlich war Lene von ganz anderer Natur als Minna. Ausserdem war er nicht über den Tod von Minna hinweg. Er hätte somit trotz Tobias noch nicht so eilig eine neue Ehe eingehen sollen. Andererseits musste Thiel für Tobias eine Lösung finden. Er konnte sich finanziell keine Angestellte leisten, die auf Tobias aufpasste und so war eine Heirat für ihn die günstigste und “schnellste Lösung” . Der Unfalltod von Tobias hat Thiel zum Explodieren gebracht und in seinem Wahn ermordete er seine zweite Frau Lene und sein zweites Kind. Wie wäre die Geschichte und das Leben von Thiel weitergegangen, wäre Tobias nicht gestorben? In einem Moment im Buch glaubte ich, es hätte vielleicht sogar «gut» kommen können mit Thiel und Lene:
Als sie im Bahnwärterhäuschen zu Mittag gegessen hatten, haben Lene, Tobias und Thiel sich wie eine normale Familie unterhalten und Lene hatte Spass, als Tobias drollige Grimassen machte. Thiel erzählte sogar etwa von seiner Arbeit, was er vorher nie gemacht hatte. Lene zeigte sich auch interessiert dafür. Sie schien mir in diesem Teil des Buches zufrieden (im Buch heisst es: sie war aufgeräumt) Die Novelle von Gerhart Hauptmann habe ich zum einen als sachlich und sehr kühl geschrieben empfunden, und zum anderen hat mich die Geschichte von Bahnwärter Thiel ziemlich schockiert und nachdenklich gemacht.
Der arbeitswillige, pünktliche und fromme, lieber Mann wird zum Mörder seiner zweiten Frau und Sohn. Wie konnte es soweit kommen? Was hätte er oder sein Umfeld besser, anders machen können, damit so ein Drama nicht hätte geschehen müssen? Mich bedrückt es, weil auch hier, unter uns, immer wieder solche Familiendramen passieren. Wenn wir alle als Gesellschaft genauer, aufrichtiger und sensibler hinschauen würden, nachfragen, unterstützen, könnten wir da nicht einige solch schlimme Fälle verhindern? |
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